AdobeStock_411824788_lichtpunkt_bearb_web

Automatisierungskonzepte, die auf maschinellem Lernen (ML) und künstlicher Intelligenz (KI) basieren, sind in der maritimen Industrie bereits heute Alltag. So fahren Schiffe mit Hilfe von Assistenzsystemen inzwischen teilautonom oder werden mittels ausgefeilter Automatisierungstechnik vom Festland ferngesteuert. Das niederländische Unternehmen Smart-Ship nutzt die M200-Steuerung von Bachmann für die Umsetzung von "Force-Feedback-Technologien" in der maritimen Industrie.

Dank künstlicher Intelligenz (KI) wird das Personal an Bord von modern ausgestatteten Schiffen von vielen aufreibenden Routinearbeiten entlastet. Je nach Grad der Automatisierung übernimmt der Mensch heute nur noch Teilaufgaben oder ist nur noch als Supervisor für die Überwachung des Systems zuständig.

Der Nutzen solcher Konzepte für die maritime Industrie liegt auf der Hand. Eine softwarebasierte Schiffsintelligenz kann menschliche Fehler reduzieren und Kollisionen oder Seeunfälle verhindern. Crew und Schiffsführer können andere Aufgaben übernehmen. Durch optimale Navigationsrouten wird der Treibstoffverbrauch verringert. Dies senkt die Kosten und schont die Umwelt. Durch eine KI-basierte, vorausschauende Instandhaltung lassen sich zudem Reparaturen rechtzeitig initiieren und Ausfallzeiten auf ein Minimum reduzieren.

Anspruchsvolle Technologie

Für die Realisierung teilautonomer, ferngelenkter oder autonomer Schiffe müssen jedoch eine Vielzahl von Komponenten zusammenspielen. Zum einen die Sensorik, die den Schiffszustand und die Umgebung überwacht, sowie die GPS-Navigation, die zu jedem Zeitpunkt den genauen Standort des Schiffes ermittelt. Daneben sind es höchst komplexe Steuerungsalgorithmen, die aufgrund der vorhanden Daten Entscheidungen treffen, sowie eine Visualisierung, welche den Menschen an Bord und jenen auf der virtuellen Brücke an Land alle wichtigen Informationen vermittelt. Unerlässlich ist ebenfalls eine ausfallsichere Verbindung zwischen den Systemen am Schiff und an Land sowie der Echtzeitdatenaustausch zwischen Systemen verschiedenster Hersteller und unterschiedlichster Plattformen. Die Kombination der robusten und sicheren Bachmann-Steuerung mit der Connext®-Software des führenden kalifornischen Herstellers für autonome Systeme, Real-Time Innovations (RTI), bietet die Voraussetzung für eine flexible und ausfallsichere Automatisierungsplattform zur Vernetzung verteilter Systeme. 

Die RTI-Software unterstützt mit Data Distribution Service (DDS) einen offenen Standard für den Nachrichtenaustausch mit hoher Datenkonnektivität und skalierbarer Architektur für Echtzeitanwendungen. Dank DDS kommunizieren alle Steuerungen in Echtzeit und direkt miteinander. Die ständige Verfügbarkeit aktueller Daten bildet die Basis für zuverlässige, autonom gesteuerte Vorgänge.

Kommunikation Mensch-Maschine

Doch neben all der Technologie arbeiten auch in der autonomen Schifffahrt noch immer Menschen. Viele Automatisierungskonzepte sind allerdings nicht drauf ausgerichtet, Menschen aktiv in den Prozess einzubeziehen. Einige davon können beispielsweise nur ein- oder ausgeschaltet werden oder laufen als Assistenzsysteme im Hintergrund, ohne dass der Schiffsführer sich derer bewusst ist. Besonders wichtig ist daher, dass der Mensch versteht, was die Maschine gerade macht und warum. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Crew an Deck oder an Land die Vorgänge auf dem Schiff überwachen und falls notwendig angemessen reagieren kann. Zudem müssen bestimmte Vorgänge trotz Automatisierung weiterhin trainiert werden, um sie nicht zu verlernen. So kann zwar ein Assistenzsystem bestimmte Manöver selbständig durchführen, der Schiffsführer muss aber jederzeit in der Lage sein, einzugreifen oder zu übernehmen. Auf ein regelmäßiges Training der Crew darf also auch im Fall von autonomen Schiffen nicht verzichtet werden.

Das Schiff fühlen

Haptisches Feedback ist ein Trend in der maritimen Industrie und eine Möglichkeit, Mensch und Maschine wieder näher zusammenzuführen. Die Technologie ermöglicht Systemen und Geräten mit dem Bediener über Berührungsimpulse zu kommunizieren. Ähnlich wie bei modernen Autos, geben Assistenzsysteme auf Schiffen ein haptisches Feedback, beispielsweise bei einem Eingriff in die Steuerung oder die Geschwindigkeitsregelung. Die haptische Rückmeldung ist auch ein Weg sicherzustellen, dass Anwender die Kontrolle über automatisierte Vorgänge behalten – und noch viel wichtiger: diese auch übersteuern können. Auch Schulungen können mit Hilfe von Simulatoren, die ein haptisches Feedback liefern, effizienter durchgeführt werden. Aufgrund der intuitiven Lernmethode lässt sich die Trainingszeit deutlich verkürzen.

Mehr als nur Vibration

Das niederländische Start-up Smart-Ship setzt die M200-Steuerung von Bachmann für „Force-Feedback-Technologien“, also haptische Rückmeldung, in der maritimen Industrie ein. Speziell angefertigte Komponenten zur Schiffssteuerung, wie Gashebel, Pinne, Azimut und Joystick, werden mit einem Algorithmus verbunden, der den Schiffsführern während komplexer Steuervorgänge durch Widerstand und Vibrationen ein haptisches Feedback liefert.

Was wir alle als grundlegendste Form des haptischen Feedbacks kennen, ist ein vibrierendes Mobiltelefon. Doch die Smart-Ship-Technologie kann weit mehr: „Durch einen mit haptischem Feedback ausgestatten Steuergriff können wir viele verschiedene Kräfte übertragen”, erklärt Gründer Roy Kok. „Neben Vibration ist Widerstand eine wichtige Kraft. Ein variabler Widerstand signalisiert, dass man sich einem Ziel nähert oder sich von ihm entfernt. So können wir auch virtuelle Wände oder ‚No-Go-Areas‘ schaffen.”

Bewusste Steuerung

Gerade für den Fernbetrieb von Schiffen und zur Unterstützung der Entscheidungsfindung in kritischen Situationen ist es wichtig, schnell ein Bewusstsein für die aktuelle Lage zu schaffen. Ändert die KI des Schiffes beispielsweise die Geschwindigkeit, spürt der Schiffsführer eine Vibration am Gashebel und kann sofort überprüfen, warum diese Aktion durchgeführt wurde und ob sie korrekt war. Falls nicht, kann er jederzeit eingreifen und das System übersteuern. Umgekehrt könnte das System einen Widerstand am Gashebel anlegen und so signalisieren, dass eine Erhöhung der Geschwindigkeit bei aktuellem Seegang oder den bestehenden Sichtverhältnissen nicht zu empfehlen ist.

„Haptisches Feedback schafft ein Bewusstsein dafür, was eine Maschine tut, auch wenn die Sicht schlecht oder gar nicht vorhanden ist. Und genau diese Funktion wird uns helfen, den Schritt zur vollständig autonomen Schifffahrt zu machen”, ist Roel Kuiper, Forschungs- und Entwicklungsingenieur bei Huisman Equipment und Berater bei Smart-Ship, überzeugt.

Mit derselben Technologie stattet Smart-Ship auch Trainingssimulatoren aus. Laut Kok reagieren Menschen auf haptische Reize instinktiv, was der Grund für das große Potenzial sei. „Von klein auf lernt der Mensch, mit seiner Umwelt durch das Erleben von Kräften zu interagieren. Der Einsatz von haptischen Bedienelementen in der Ausbildung ermöglicht daher ein schnelleres und intuitiveres Lernen.”

Spannende Zukunft

Die hochautomatisierte und teilautonome Schifffahrt ist bereits Realität und die technologischen Entwicklungen in der maritimen Industrie sind vielversprechend.

Smart-Ship geht derzeit einen weiteren Schritt: Das innovative niederländische Unternehmen erweitert seine Force-Feedback-Steuerungen so, dass die Bediener mit jeder Art von Antriebsmethode so effizient wie möglich fahren können. Ob Brennstoffzellen, Windunterstützung, vollelektrischer Antrieb oder Hybrid – künftig wird jede Antriebsart hinsichtlich Energieeinsparung optimal unterstützt werden. Die Steuerelemente werden künftig am optimalen Betriebspunkt den Gegendruck verringern, und durch diese „Delle“ spürt der Bediener, dass er das Schiff optimal fährt.