Nur mit sanftem Druck
Automatisiertes Schiffsgetriebe sorgt für schonende Schaltvorgänge
Insbesondere Richtungswechsel belasten traditionell hydraulisch betätigte Schiffsgetriebe: Die Schaltvorgänge sind abrupt, da rotierende Massen in kurzer Zeit in die Gegenrichtung beschleunigt werden müssen. Die REINTJES GmbH mit Sitz in Hameln (Niedersachsen) hat mit Unterstützung von Bachmann ein automatisiertes Schiffswendegetriebe entwickelt, das den hydraulischen Druck auf die Kupplungslamellen präzise regelt und ein sanftes Schalten möglich macht.
Die Herausforderung bei der Automatisierung eines Schiffsgetriebes liegt darin, dass konventionell hydraulisch betätigte Kupplungen verschiedenen äußeren Einflussfaktoren unterliegen. Dazu zählen beispielsweise die Umgebungstemperatur, welche die Ölviskosität in der Hydraulik mitbestimmt, ebenso wie mechanische Elemente, die Verschleiß und systembedingten Trägheiten unterliegen. Damit ist der „Bite Point“, also der Punkt, an dem die Kupplung zu greifen beginnt, nicht reproduzierbar. Die Folge: Schaltstöße, die Getriebe und den gesamten Antriebsstrang belasten.
Technologischer Fortschritt
REINTJES geht einen innovativen neuen Weg: Die klassischen hydraulischen Schaltkomponenten wurden weitestmöglich reduziert und die Kupplungsansteuerung mit Proportionalventilen realisiert. Damit entfallen systembedingt variable Trägheiten, der Eingriffspunkt der Kupplung kann wiederholgenau präzise angefahren werden. Auf Basis des M200-Steuerungssystems von Bachmann entwickelte REINTJES dazu mit der „Gearbox-Automation“ (kurz „GBX-A“) ein modulares System, das den Kupplungsvorgang automatisch optimiert und somit einen materialschonenden Betrieb ermöglicht.
Perfekt anpassbar, einfach im Handling
Das GBX-A ist modular aufgebaut und lässt sich über vordefinierte Parameter frei konfigurieren. Ohne besondere Kenntnisse in der Programmierung können auf einem Bachmann OT1200-Terminal viele Funktionen weggeschaltet und die Parametrierung geändert werden. Dank einer integrierten Kalibrierfunktion ist die Kupplungssteuerung auf jeden Antriebsstrang perfekt anpassbar. Eine Nachkalibrierung erfolgt automatisch, der aktuelle Zustand der Kupplung wird auf dem Terminal am GBX-A visualisiert.
Das REINTJES-System loggt auf Wunsch auch historische Daten und macht damit den Weg frei für die Zustandsüberwachung und die Entwicklung einer optimalen Wartungsstrategie. Dabei können beispielsweise Schaltvorgänge analysiert und innerhalb einer Flotte verglichen werden, um den Schiffsbetrieb und Wartungspläne zu optimieren.
Zur Ansteuerung der Proportionalventile setzt REINTJES den Bachmann-Proportionalventilverstärker PVA204 ein, an den vier Spulen angeschlossen werden können. Aufgrund der Stromregelung haben Temperaturänderungen der Ventilspulen keinen Einfluss auf die Stellung des Ventils. Zur Kennlinienkorrektur stehen bis zu 20 Stützpunkte pro Spule zur Verfügung, was eine sehr genaue Linearisierung ermöglicht. „Für den perfekten Fit der Komponente benötigten wir eine Anpassung der Firmware des PVA-Moduls. Ein Wunsch, den uns Bachmann erfüllte“, freut sich Norman Klippel.
Sechs Klassen abgedeckt
Im konventionellen Schiffsbau ist das REINTJES-System einzigartig, denn es deckt die fünf größten Klassen ab: Bureau Veritas (BV), Lloyd’s Register of Shipping (LR), American Bureau of Shipping (ABS), Det Norske Veritas (DNV) sowie Registro Italiano Navale (RINA). „Ein großer Vorteil für uns war dabei, dass die Bachmann-Systemkomponenten bereits über alle notwendigen Zertifizierungen im maritimen Sektor verfügten“, bestätigt der REINTJES-Teilprojektleiter.
Getriebe der Zukunft
Das GBX-A erhöht nicht nur den Automatisierungsgrad der Getriebesteuerung. Es leistet auch einen erkennbaren Beitrag, um die Verfügbarkeit eines Schiffes zu erhöhen und dessen Lebenszykluskosten zu senken. Denn schonendes Schalten verlängert die Lebensdauer des gesamten Antriebsstrangs. Die Zustandsüberwachung ermöglicht außerdem die zielgerichtete Wartung und reduziert damit Liegezeiten in der Werft.